
Sammlungsstück
Das Museum hat eine große Anzahl und große Vielfalt an Sammlungsgut im Bestand. Nicht alle finden eine Platz in der Dauerausstellung. Manche werden in Sonderausstellungen präsentiert oder sind Bestandteil unserer Forschungen. In dieser Rubrik stellen wir regelmäßig Objekte vor, die einen Bezug zur Magdeburger Börde und dem Börde-Museum haben. Auf dieser Seite wird monatlich ein Sammlungsstück vorgestellt.
Sammelbild zu Liebig’s Fleisch-Extract
Sammelbild zu Liebig’s Fleisch-Extract
Inv.-Nr.: V:02/04/01/BMBU_2011-0508
Maße: 105 x 70 mm
Material: Karton, bedruckt
Datierung: 1904
Wer sich viel auf Flohmärkten aufhält, trifft immer wieder auf Sammelbilder von verschiedenen Anbietern. Ein bekanntes Beispiel dafür sind die zu Fußball-Welt- und Europameisterschaften erschienenen Sammelsticker, die man beim Kauf beliebter Süßwaren erhielt. Mit dem zugehörigen Sammelalbum regten sie dazu an, die Produkte der herstellenden Marke zu kaufen, um so seine Sammlung zu komplettieren.
Diese Sammelsticker stehen in einer langen Tradition der Produktwerbung. Eines der frühesten Beispiele sind die ›Liebigbilder‹. Herausgegeben wurden diese von der Firma Liebig’s Extract of Meat Company (LEMCO). Sie ging 1865 aus der nur zwei Jahre vorher gegründeten Fray Bentos Giebert & Co. hervor. Der erste Name der Firma setzte sich aus ihrem Standort, dem in Uruguay gelegenen Hafen Fray Bentos und dem Nachnamen des Firmengründers zusammen. Das hergestellte Produkt, das Fleischextrakt, trug den Namen seines Erfinders, des bekannten Chemikers Justus von Liebig (12. Mai 1803 – 18. April 1873). Als bereits nach zwei Jahren durch den großen Erfolg das Unternehmen vergrößert werden musste, erhielt es den Namen seines bekannten Produkts.
Um den Bekanntheitsgrad des Fleischextrakts weiter zu steigern, wurde im französischen Zweig der Firma in Paris 1875 ein Werbebüro eingerichtet, und damit begonnen Bilderreihen herauszugeben. Wie am hier besprochenen Bild zu erkennen ist, war die eine Seite mit einem umrahmten Bild versehen, während die Rückseite Werbung trug. Anfänglich besaßen die Reihen keinen kleinen Erklärungstext zum Bild. Er setzte sich jedoch nach und nach dauerhaft durch. Integraler Bestandteil der meisten Bilder war bis in die 1930er-Jahre ein Bild eines Liebig’s-Fleichextract-Glases auf der Vorderseite der Karte.
Dem Standort des Museums in der Burg Ummendorf angemessen, handelt es sich bei der ausgewählten Bildkarte um eine Darstellung aus dem Ritterleben. Der Erklärungstext auf der Rückseite lautet dazu:
»An Kampfspielen fehlte es nicht. Der Buhurt ist ein Reiterkampf vieler, die in zwei Parteien gesondert, gegeneinander anreiten, mit den Speeren und Schilden aufeinander rennen und sich gegenseitig zurückzudrängen suchen. Das Turnier war ein Kriegsspiel, teils ein Kampf der Masse, teils ein solcher einzelner Paare, wie auf unserm Bilde. In voller Rüstung, bot man alle Geschicklichkeit auf, um den Gegner aus dem Sattel zu werfen. Der Preis des Siegers war eine Waffe, ein Falke oder dergl. Zuweilen fielen auch Ross und Rüstung des Gegners dem Sieger zur Beute.«
Die Szene selbst zeigt je zwei Ritter im Kampf. Zentral findet sich der Höhepunkt eines Lanzenganges, auch Tjost genannt, bei dem gerade einer der Kontrahenten mit der Lanze des Gegners am Schild getroffen wird. Im Hintergrund rücken sich hingegen zwei Ritter mit dem Schwert zu Leibe, während viele Zuschauer dem Geschehen folgen. Vorne am linken Bildrand befindet sich ein Herold.
Die Liebigbilder erschienen in einer Bilderreihe, die gleichzeitig herausgegeben wurden. Das hier besprochene Bild gehört zu der Reihe mit dem Namen ›Burgleben‹. Meist bestanden die Bildserien aus insgesamt sechs Bildern. Zu den weiteren Szenen aus dem ›Burgleben‹ zählten noch eine Ankunft an einer Burg, eine Falkenjagd, ein Blick in den Rittersaal und ins Frauengemach sowie eine Waffenübung von Knappen.
In einer deutschsprachigen Sammlerzeitschrift, die sich vornehmlich den Liebigbildern widmete und schlicht ›Liebigbilder-Zeitschrift‹ hieß, wird die Serie bei ihrer Neuerscheinung besprochen. Daraus ergibt sich zum einen, dass die Serie 1904 in Umlauf kam, zum anderen aber auch, dass der Verfasser der Besprechung nicht von den Bildern überzeugt ist. So sieht der Autor keine lobenswerten Eigenschaften an ihnen und vergleicht sie sogar mit einem Probedruck. Ein harsches Urteil, dass wohl jeder Betrachter für sich selbst festlegen muss. Es zeigt aber durchaus, mit welcher Ernsthaftigkeit die Sammelleidenschaft betrieben wurde. In der Zeitschrift werden monatlich die Neuerscheinungen mit besprochen und auf ihren ästhetischen Wert überprüft.
Gleichzeitig führt die Zeitschrift zum zentralen Aspekt der Bilder: dem Sammeln. Der Umstand, dass eine Monatlich erscheinende Zeitschrift zu diesem Thema erschien, zeigt schon wie hoch tatsächlich das Interesse an diesem Hobby war. Praktischerweise bot der Herausgeber der Zeitung, der einen Handel für Sammelbilder betrieb, gegen einen entsprechenden Aufpreis an, eine oder mehrere Serien seines Bestandes zusammen mit der Zeitschrift zu versenden. Passende Sammelalben hatte der Verleger und Händler auch im Angebot. Sie boten Platz für alle erscheinenden Serien für jeweils drei Jahre.
Ironischerweise ersparte sich der ernsthafte Sammler so den Kauf von Liebig’s Fleischextract, was dazu führte, dass die Beliebtheit der Bilder sie von ihrem Entstehungsgrund loslöste. Da die Bilder nämlich eigentlich gratis bei Kauf des Fleischextrakts abzugeben waren, ist auch auf ihre Rückseite gestempelt.
Die große Beliebtheit und die hohe Bereitschaft für die Liebigbilder zu bezahlen, führte dazu, dass es sogar zu Fälschungen begehrter und damit kostspieliger Serien kam. Wie die ›Liebigbilder-Zeitschrift‹ 1896 und 1904 berichtete, versuchte schon im Jahr 1896 ein Betrüger Bilder mit hohem Wert zu fälschen und einschlägigen Händlern anzubieten. Der Fälscher kam aus Antwerpen und fälschte Bilder in französischer Sprache.
Eine der Reihen war die bereits früh erschienene Serie ›Frauen als Vogel‹, von der es gleich mehrere unterschiedliche Ausführungen gab. Durch Fehler im Druck, welche in der Zeitschrift gründlich beschrieben werden, können die Fälschungen jedoch erkannt werden. Ein Beispiel wäre das letzte G der auf die Rückseite gedruckten Unterschrift Liebigs. Im Original ist dieses stets nach oben geöffnet, bei der Fälschung jedoch geschlossen. Kenner erkannten auch am Aussehen der Bilder Unterschiede in der Ausführung, wobei andere Farben des Hintergrundes auch bei den Orignalen vorkommen konnten.
Insgesamt wurden Bilder in zwölf Sprachen herausgegeben, was dazu führte, dass in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Erscheinungsjahre möglich waren. 1940 endete die deutsche Version der Liebigbilder. In Italien werden sie, nach einer Pause, seit 1998 wieder in kleiner Auflage herausgebracht. Aber auch in Deutschland gibt es noch heute einen Markt für Sammler.
Quellen
F. Dreser, Die gefälschten Serien „Vögel“, Liebigbilder-Zeitung. Monatsschrift für Interessenten dieses Sammelports 10, 1896, 135–137.
F. Dreser, Eine unterbliebene Fälschung, Liebigbilder-Zeitung. Monatsschrift für Interessenten dieses Sammelports 5, 1904, 835f.
F. Dreser, Liebig-Neuheiten: Burgleben, Liebigbilder-Zeitung. Monatsschrift für Interessenten dieses Sammelports 11, 1904, 934f.
G. K. Judel, Die Geschichte von Liebigs Fleischextrakt: Zur populärsten Erfindung des berühmten Chemikers, Spiegel der Forschung 20, 2003, 6-17.
Online-Quellen
www.colecteo.com/liebigOne/number/1_809.
geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2004/1381/pdf/SdF-2003-1_2b.pdf.
digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht.
de.wikipedia.org/wiki/Liebigbild.
digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht.